Gratwanderung oder alles klar?


Wolfgang Zimmermann hält am swissICT Symposium am 25. September ein Referat im Stream «Unternehmen» zum Thema «Agilität und Führung, postheroische Bergtour mit einem Stück Humor».

Alles ist klar und berechenbar – so suggeriert es die klassische Betriebswirtschaft. Manager halten sich an harte Fakten. Den Erfolg messen sie an Quartals- und Jahresabschlüssen, die Performance an Kennzahlen wie Mitarbeiterzufriedenheit oder Fluktuation. Im betrieblichen Alltag des Führungsgeschäftes jedoch stoßen die Denkfiguren des rationalen Entscheidens allzu schnell an Grenzen, besonders in disruptiven Zeiten.


Autor: Wolfgang Zimmermann

Plötzlich bestimmen Dilemmata und Zwickmühlen das Geschehen: Selbstorganisation fördern und Chef sein? Freiraum geben und Führung? Fehlerkultur und trotzdem nicht abstürzen? Die Liste lässt sich fortsetzen.

Alle diese Spannungsfelder lassen sich nicht einfach aus der Welt schaffen. Jedes von ihnen muss jeweils von Fall zu Fall neu bearbeitet, organisiert und ausbalanciert werden.

Das Unvermeidliche akzeptieren

Paradoxien, Spannungsfelder und Widersprüche sind Teil unseres Lebens. Im privaten Alltag integrieren wir sie ganz selbstverständlich in unser Leben, sonst kämen wir schlicht und einfach nicht über die Runden. Ohne „schlampiges Denken“ könnten wir nicht überleben. Im Unternehmen ist das nicht so einfach – hier müssen wir uns den Paradoxien stellen. Manche Führungskraft mag insgeheim hoffen, diesem Spiel zu entkommen wie die Katze in Alice Wunderland. Doch das ist nicht zu schaffen, um in einer disruptiven, digitalisierten Welt zu bestehen. Es gilt, das Unvermeidliche zu akzeptieren.

Setzen wir uns doch einmal mit den diversen Widersprüchlichkeiten etwas näher auseinander. Da ist im Führungsteam einerseits eine harte, sachbezogene Auseinandersetzung notwendig – andererseits besteht die Anforderung, menschlich gewogen zu sein. Das paradoxe Ergebnis, das beide Anforderungen miteinander verbindet, lässt sich als freundliche Härte bezeichnen. Oder von der Führungskraft wird einerseits Flexibilität, andererseits auch ein gewisses Maß an Sturheit gefordert. Daraus ergibt sich als paradoxe Kombination sture Flexibilität, eine durchaus bedenkenswerte Haltung: „Nur in einem bin ich stur: Wenn es um Flexibiliät geht“, lautet etwa das Motto von Nils Moormann, einem bekannte Möbeldesigner und Innovator.

Freiheiten brauchen Grenzen

Schauen wir uns Srum als die Mutter des agilen Arbeitens genauer an: Hinter den eingeräumten „Freiheiten“ versteckt sich eine nicht unwesentliche Paradoxie: Agilität bedarf eines Mindestmaßes an „Striktheit“. Letztere zeigt sich durch dogmatisch scheinende Rahmenbedingungen: Durchführung gemeinsamer Planungstreffen und täglicher Treffen, Einhaltung kurzer Arbeitszyklen, öffentlich abgegebene Verpflichtungen vereinbarter Tätigkeiten, regelmäßige Reflexionen über Ergebnisse und Arbeitsprozesse, sowie Übernahme gemeinsamer Verantwortung. Es bedeutet eine erhebliche Herausforderung diesen Grat zu meistern, Absturz in Chaos auf de einen Seite, Festhalten am Bewährten auf der anderen Seite ist möglich.

Das Spiel mit den paradoxen Wortkombinationen lässt sich fortsetzen, wie die folgende Tabelle zeigt. Aus Anforderungen, die zueinander im Widerspruch stehen, lassen sich zeitgemäße Führungshaltungen ableiten, die für die neue Welt nützlich sein können. Lassen Sie sich inspirieren von Kombinationen wie:

  • Freundliche Härte, d.h. in der Sache hart, aber zugleich menschlich gewogen
  • Mit wacher Gelassenheit auf den richtigen Augenblick warten und dann zügig agieren
  • Sture Flexibilität, d.h. beharrlich gegen die Routinen der Gewohnheit angehen
  • Flexible, sichere Umplanung
  • Verrückte gründliche Analysen, d.h. querdenkerische Ideen gründlich prüfen

Es ist ein Stück wie auf einem steilen Berggrat : Um nicht runterzufallen braucht es Balancen, mal auf die Eine, mal auf die Andere Seite, sonst droht der Absturz.

Publiziert am 10. September 2018